Charles² – Pharma Insights

Wie die Digitalisierung zum medizinischen Fortschritt beiträgt

Episode Summary

Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) und der Digitalisierung kommen auf das Gesundheitswesen neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen zu. Aktuell spielen Krankenkassendaten in der Versorgung eine große Rolle und auch Register, wie die vorherige Podcast-Folge (Wie Daten aus der Versorgung die Medizin verbessern können) genauer erläutert hat. Nicht zuletzt Informationslücken im Rahmen der Corona-Pandemie haben aufgezeigt, dass für viele Fragen nicht genügend Daten zur Verfügung standen, um Antworten zu geben. Kathrin Klär-Arlt, Leiterin Politik & Public Affairs, Informatiker Dr. Daniel Ziemek, der von Deutschland aus für die weltweite Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Pfizer in Boston arbeitet, und Statistik- und Biometrie-Experte Friedhelm Leverkus, dessen Abteilung u. a. selbst Versorgungsforschung betreibt, sprechen in der aktuellen Folge über die ePA und „Big Data“.

Episode Notes

Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) und der Digitalisierung kommen auf das Gesundheitswesen neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen zu. Aktuell spielen Krankenkassendaten in der Versorgung eine große Rolle und auch Register, wie die vorherige Podcast-Folge (Wie Daten aus der Versorgung die Medizin verbessern können) genauer erläutert hat. Nicht zuletzt Informationslücken im Rahmen der Corona-Pandemie haben aufgezeigt, dass für viele Fragen nicht genügend Daten zur Verfügung standen, um Antworten zu geben. Kathrin Klär-Arlt, Leiterin Politik & Public Affairs, Informatiker Dr. Daniel Ziemek, der von Deutschland aus für die weltweite Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Pfizer in Boston arbeitet, und Statistik- und Biometrie-Experte Friedhelm Leverkus, dessen Abteilung u. a. selbst Versorgungsforschung betreibt, sprechen in der aktuellen Folge über die ePA und „Big Data“. Weitere Informationen gibt es unter www.pfizer.de/podcast-charles2.

Episode Transcription

Titel der Folge: Wie die Digitalisierung zum medizinischen Fortschritt beiträgt

Anmoderation: Unsere letzte Podcast-Folge hat aufgezeigt, wie Daten aus der ärztlichen Versorgung in Praxen und Kliniken die Medizin verbessern können. Mit der elektronischen Patientenakte und der Digitalisierung kommen auf das Gesundheitswesen neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen zu. Worin diese liegen, soll in dieser Folge unser Thema sein bei „Charles² – Pharma Insights“, einem Podcast von Pfizer Deutschland. Ich bin dort Kommunikationsmanagerin, heiße Anke Kugelstadt und spreche für diesen Podcast mit Kolleginnen und Kollegen.

Moderation: Friedhelm Leverkus haben wir schon in den vorherigen beiden Folgen gehört. Der Statistik- und Biometrik-Experte arbeitet seit 30 Jahren bei Pfizer. Seit mehr als zehn Jahren leitet er eine Abteilung, die unter anderem selbst Versorgungsforschung betreibt. Er schildert, auf welcher Basis Versorgungsforschung in Deutschland aktuell stattfindet und woher die Daten für diese Forschung maßgeblich kommen.

F. Leverkus: Aktuell spielen die Krankenkassendaten eine sehr große Rolle. Krankenkassendaten sind die Daten, die beim Arzt erhoben werden, wo die Leistungen erfasst werden. Ähnlich auch bei den Klinikdaten, diese Abrechnungsdaten. Das ist, da arbeiten wir auch sehr viel mit. Das ist schon mal sehr sinnvoll. Dann gibt es Register, wo einzelne Patienten mit einer gewissen Indikation erfasst werden, wo Daten erfasst werden. Wir haben aber jetzt auch beim Covid-19 gesehen, dass wir für viele Fragen, die die Politik gehabt hat, für viele Fragen, die auch Behandler gehabt haben, dass da nicht genügend Daten da waren. Daher hat man immer ein bisschen im Nebel gestochert.

Moderation: Dieses „Stochern im Nebel“ wurde auch von Sachverständigen kritisiert.

F. Leverkus: Und es gab auch einige Gutachten von dem Wissenschaftsrat, von der Deutschen Statistischen Gesellschaft, der DStatG, und auch von dem Sachverständigenrat Gesundheit, die ganz klar darauf hingewiesen haben, dass der Ausbau der Infrastruktur, der Dateninfrastruktur für uns wichtig ist. Weil: Daten schaffen Wissen, und das Wissen kann Leben retten. Von daher ist es wichtig, dass wir hier eine vernünftige Dateninfrastruktur haben. Erster Schritt ist sicherlich die elektronische Patientenakte. Die soll in dem Forschungsdatenzentrum 2023 auch zur Verfügung gestellt werden. Und da sind die Kollegen aus der Medizininformatik fleißig dabei, daran zu arbeiten, dass das auch Realität werden kann.

Moderation: Gesundheitsdaten sind ein hohes Gut, das besonders geschützt werden muss. Doch wie den Schutz der Daten gegenüber dem Schutz vor Krankheit im Sinne der Menschen abwägen? Dazu gibt es verschiedene Ansätze.

F. Leverkus: Und von daher ist die Frage, ob das Modell, wie wir es jetzt haben in Deutschland, dass man immer eine Einwilligung braucht, ob das das Richtige ist. Also der Sachverständigenrat will Datenspende möglich machen bzw. ein Opt-out-Verfahren. Das heißt, wenn man seine Daten nicht für Forschungszwecke zur Verfügung stellen will, muss man sagen: Nee, möchte ich nicht. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt ja auch in anderen europäischen Ländern. Und die gehen da mit anders um und können das lösen. Und da hoffen wir auch drum, dass das auch passiert in Deutschland.

Moderation: Durch die bessere Verfügbarkeit unserer Daten können wir unsere persönliche medizinische Behandlung in Zukunft noch besser unterstützen. Das schreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Internetseite im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte. Kathrin Klär-Arlt leitet bei Pfizer die Abteilung Politik & Public Affairs. Sie fasst zusammen, was die elektronischen Patientenakte überhaupt ist.

K. Klär-Arlt: Die elektronische Patientenakte ist eine digitale Anwendung für gesetzlich Krankenversicherte. Dort können Gesundheitsinformationen hinterlegt werden. Die Nutzung ist natürlich freiwillig und Zugreifen auf die Daten, auf dieser elektronischen Patientenakte, können nur die, die von dem Patienten dazu berechtigt worden sind. Also kann nicht jeder die Daten einsehen.

Moderation: Aber um was für Daten handelt es sich, die da abgelegt werden können?

K. Klär-Arlt: Die elektronische Patientenakte kann Befunde, Diagnosen, Arztbriefe enthalten. Es können aber auch Daten aus einem Fitnesstracker oder Gesundheits- und Schmerztagebücher hinzugefügt werden. Später sind noch Erweiterungen der elektronischen Patientenakten geplant wie z.B. elektronische Rezepte oder auch Überweisungen, die dort hinterlegt werden können, sowie Impfausweise, Mutterpass, wenn man schwanger ist. Das sind Daten und Anwendungen, die dort hinterlegt sind und die man über diese elektronische Patientenakte organisieren kann.

Moderation: Gerade, weil es so vielfältige Unterlagen sind, bietet die elektronische Patientenakte Perspektiven für die medizinische Forschung.

K. Klär-Arlt: Für die Forschung interessant ist, dass diese Daten, die dort hinterlegt und gesammelt werden, neben den Daten, die von Krankenkassen als Abrechnungsdaten zur Verfügung stehen, ein breiteres Bild liefern, welche Erkrankungen wie häufig auftreten, welche Behandlung erfolgen, wie diese anschlagen.

Moderation: Forschung ist mit den Daten nur möglich, wenn sie gespendet werden.

K. Klär-Arlt: Im Moment ist im System vorgesehen, dass Patienten sich entscheiden können, ihre Daten zu spenden. Das erfolgt in anonymisierter Form und dann gehen die gespendeten Daten in ein Forschungsdatenzentrum und werden sozusagen den vorhandenen Abrechnungsdaten der Kassen, die dort schon sind und hinterlegt wurden, hinzugefügt.

Moderation: Natürlich unterliegen auch die gespendeten Daten einem besonderen Schutz.

K. Klär-Arlt: Zuallererst gibt es ja die Datenschutzgrundverordnung, die Gesundheitsdaten in besonderer Weise privilegiert. Also, wir haben sehr strikte gesetzliche Vorgaben diesbezüglich, wie mit diesen Daten umzugehen ist. Dieser Schutz der Gesundheitsdaten hat innerhalb der EU und auch von Deutschland höchste Priorität.

Moderation: Die gespendeten Daten werden in einem Forschungsdatenzentrum gesammelt. Bislang ist ein Zugang zu diesen Daten für die private Forschung, wie sie forschende Arzneimittelhersteller betreiben, nicht vorgesehen.

K. Klär-Arlt: Derzeit dürfen nur bestimmte Institutionen auf diese Daten zugreifen. Sie haben ein Antragsrecht gegenüber dem Forschungsdatenzentrum und diese Institutionen sind z.B. Krankenkassen, Hochschulen, Universitäten und natürlich auch die Selbstverwaltung. Pharmazeutische Hersteller dürfen selber nicht zugreifen. Im Moment gibt es die Möglichkeit in Kooperation mit einer Institution, die antragsberechtigt ist, zusammenzuarbeiten. Ein eigener Datenzugriff wäre natürlich schon sehr wichtig und interessant, da diese Daten Herstellern ermöglichen Erkenntnisse zu gewinnen, wie Arzneimittel in der Praxis eingesetzt werden. Erkenntnisse, die wichtig sind für die Entwicklung neuer Arzneimittel aber auch Medizintechnologien oder datenbasierter Gesundheitsanwendungen. Diese können dafür genutzt werden Diagnostik zu verbessern oder innovative Therapiealternativen zu entwickeln. Was aus meiner Sicht in dem Zusammenhang gleichzeitig wichtig ist: ein stärkeres Bewusstsein für den Nutzen von diesen Alltagsdaten für die Forschung und Entwicklung zu schaffen.

Moderation: Es gibt in Europa verschiedene Ansätze im Umgang mit anonymen Daten, wenn es darum geht, medizinische Erkenntnisse zu gewinnen.

K. Klär-Arlt: Andere Länder sind dort wesentlich offener für den Zugang der pharmazeutischen Industrie zu solchen aggregierten Gesundheitsdaten, wenn man z.B. nach Finnland schaut. Dort gibt es eine Behörde oder ein Forschungsdatenzentrum namens Findata und das ist eine zentrale Anlaufstelle für Wissenschaft, Behörden, und private Forschung, die nach einem entsprechenden begründeten Antrag auf diese Datensätze ein Zugriff erhalten. Gleiches oder Ähnliches gibt es in Frankreich dort ist ein health data hub installiert worden, über das ebenfalls auch öffentliche und private Forschung Zugriff zu den Daten haben.

Moderation: Bedeutet der Status quo in Deutschland also Stillstand für die Forschung?

K. Klär-Arlt: Aus meiner Sicht wird diese Forschung trotzdem stattfinden, aber eben nicht in Deutschland, wenn wir diesen Zugang für die pharmazeutischen Unternehmer nicht ermöglichen. Damit werden wir einen klaren Standortnachteil im Wettbewerb mit anderen europäischen Ländern haben. Daher stellt sich für uns die Frage, warum der privaten Forschung der Zugang zu den Daten bislang verwehrt wird, wenn unter dem gleichen Regelungswerk nämlich der Datenschutz-Grundverordnung, das ja ein europäisches Regelungswerk ist, in anderen Ländern solche Themen möglich sind.

Moderation: Daten aus anderen Ländern helfen bereits jetzt bei der Entwicklung neuer Medikamente. Dr. Daniel Ziemek arbeitet für die weltweite Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Pfizer in Boston. Unter anderem ist er mit seinem Team bei einem Forschungsprojekt mit der UK Biobank involviert. Die UK Biobank ist eine Langzeitstudie in Großbritannien, die bereits im Jahr 2006 ihren Anfang nahm.

D. Ziemek: Das ist eine Initiative in Großbritannien, die haben sehr früh gesagt, was wir machen wollen, ist, eine sehr große Anzahl an Menschen zu charakterisieren im Sinne auf all ihre Krankendaten, aber auch molekular-biologisch. Die haben dann Werbung dafür gemacht und ihr Ziel war es, 500.000 Leute, normalerweise sind so Studien viel, viel kleiner, wir haben 10 Leute, 50 Leute, 100 Leute, wenn es 1.000 Leute sind, ist man unglaublich glücklich. Und da war plötzlich die Idee, wir machen 500.000 Leute. Und von denen wollen wir verstehen, wie geht es denen, die müssen nicht unbedingt krank sein oder so, einfach Leute, wie geht es denen. Und aber, wenn man natürlich 500.000 Leute hat, sind da auch viele Leute dabei, die irgendeine spezifische Krankheit haben, vielleicht Diabetes, vielleicht haben sie Rheuma, vielleicht hohen Blutdruck, alles Mögliche. Und man hat versucht, solche Leute zu finden und dann, diese Leute haben sich freiwillig gemeldet, an dieser Studie teilzunehmen, und die Idee war dann, dass diese Leute sämtliche Krankenakten zur Verfügung stellen, um in der Zukunft besser zu verstehen, wie man Krankheiten verhindern kann, wie man Krankheiten diagnostizieren kann. Und was für uns natürlich interessant ist, wie man vielleicht auch Krankheiten heilen kann, wie man die Symptome einer Krankheit verbessern kann.

Moderation: Um für die Forschung wertvolle Rückschlüsse zu ermöglichen, durchliefen die Freiwilligen einige Gesundheitschecks.

D. Ziemek: Die wurden untersucht von Ärzten. Da wurden Blutbilder gemacht, vermessen, alle Sachen, die man bei einem Arzt machen würde. Und alle diese Daten werden dann in einer zentralen Datenbank gespeichert. Und diese Datenbank ist natürlich sehr gut gesichert, die liegt nicht einfach irgendwo im Internet rum, sondern diese Daten sind alle sehr gut gesichert und nur zugreifbar von diesen Patienten erstmal. Das Ziel dieser Datenbank ist dann im Endeffekt, daraus die Forschung zu stärken, um besser Krankheiten zu verstehen oder neue Medikamente zu entwickeln. Das Gute aus meiner Sicht dieser UK Biobank ist, dass sie von Anfang an molekular-biologisch ausgerichtet war. Von Anfang an war die Idee, diese 500.000 Leute werden genotypisiert.

Moderation: Was genotypisiert bedeutet, erklärt Daniel Ziemek noch mal genauer.

D. Ziemek: Die meisten Leute werden wahrscheinlich heutzutage vom genetischen Code gehört haben, jeder Mensch hat einen spezifischen genetischen Code, der zum Teil ausmacht, wie man sich entwickelt. Natürlich sind die Umwelteinflüsse ein sehr, sehr großer Teil, aber die Genetik spielt eben auch eine Rolle. Und ich als Informatiker ursprünglich stelle mir den genetischen Code tatsächlich wie ein langes Wort vor und dieses Wort hat 3 Milliarden Zeichen. Im Körper wird dieser genetische Code andauernd abgelesen von Proteinen, von gewissen molekularen Maschinen wird dieser Code abgelesen. Und auf Basis dieses Bauplans, was dieser genetische Code ist, werden dann neue Proteine gebaut. Diese Proteine machen im Endeffekt aus, was wir sind. Das passiert die ganze Zeit in unserem Leben, wird dieser genetische Code abgelesen und diese Proteine werden gebaut. Diese Proteine verarbeiten dann alle Sachen, mit denen wir so interagieren. Die wandeln vielleicht Zucker in Energie um oder bauen Fett in unserem Bauch auf, was auch immer. Das passiert alles auf Basis der Proteine und diese Proteine entstehen auf Basis des genetischen Codes. In der UK Biobank war von Anfang die Idee, dass man diese 500.000 Leute genetisch charakterisiert. Und da muss ich nochmal sagen, das war also wirklich sensationell.

Moderation: Man muss übrigens nicht alle der 3 Milliarden Zeichen auslesen, weil sich nicht alle dieser Zeichen von Mensch zu Mensch stark unterscheiden.

D. Ziemek: Sondern es gibt spezielle Stellen in diesem genetischen Code, wo die Wahrscheinlichkeit viel höher ist, dass wir uns unterscheiden. Und wenn man sich das also in einer normalen Population anguckt, dann gibt es vielleicht, sagen wir mal, 1 Million Stellen in diesem Code, wo wir uns unterscheiden. Und diese 1 Million Stellen, die kann man heutzutage relativ günstig auslesen.

Moderation: Der Clou der UK Biobank ist also, dass man von einer großen Anzahl an Menschen sowohl den genetischen Code als auch Krankheitsdaten und Informationen zu ihrem Lebensstil hat. Die Daten sind in der UK Biobank gut geschützt. Zugleich kann damit Forschung betrieben werden.

D. Ziemek: Man muss natürlich nachweisen, dass man in der Lage ist diese Daten zu schützen, selbst wenn man ein etablierter Forscher ist, kann man das nicht einfach auf seinen Laptop runterladen und dann ist der Laptop weg und plötzlich sind die Daten in der freien Wildbahn. So geht das nicht. Man muss schon klar zeigen, was die Data Protection Guidelines sind, also wie gedenke ich diese Daten zu schützen, das muss man alles nachweisen. Aber wenn man das kann, dann kann man eben Zugriff auf diese Daten bekommen. Und zu Zwecken der Forschung diese Daten analysieren und eben für all diese Sachen, die ich genannt habe. Und das hat natürlich zu einem riesigen Interesse geführt und gleichzeitig zu sehr, sehr vielen wissenschaftlichen Publikationen, die sich auf diese UK Biobank beziehen. Und da machen wir auch mit und gucken uns diese Daten an und haben schon viele Schlüsse daraus gezogen, die interessant sind und auch darüber publiziert.

Moderation: Nun ist es so, dass sich die Forschung besonders für den Teil des genetischen Codes interessiert, in dem die Proteine kodiert sind.

D. Ziemek: Und da möchten wir dann nochmal ganz genau mit der Lupe draufgucken und eben dieses Stellen genau sequenzieren, wie man sagt, also genau rausfinden. Da hat die UK Biobank ein sehr nettes System geschaffen, ein sehr cleveres System, finde ich, es können also Vorschläge gemacht werden, wie man diese UK Biobank weiterführen möchte.

Moderation: Ein Konsortium wurde gebildet und entschieden, diese Analysen zu machen.

D. Ziemek: Das kostet ziemlich viel Geld und die Pharmafirmen haben sich dann zusammengetan, um dieses Geld aufzubringen. Das kann man dann machen und der Clou ist aber, das: die Pharmafirmen haben Zugriff auf diese Daten und auch für ein gewisses Zeitfenster exklusiv. Ich glaube, für ein Jahr können wir diese Daten uns angucken. Aber alles, was man macht mit UK Biobank Daten, wo man also neue Daten erzeugt, müssen immer wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Also nach Ablauf dieses Zeitfensters, und das ist jetzt abgelaufen für diese Daten, die ich da hier beschreibe, kann wiederum jeder Akademiker, der also plausibel machen kann, dass die Person Ahnung davon hat und eben die Daten beschützen kann, kann diese Daten jetzt runterladen und sie fließen in die allgemeine Forschung ein. Ich denke, dieses Konzept hat sehr, sehr gut funktioniert, weil dadurch, dass man einen Anreiz hat zu investieren, ist es sowas wie ein Zinseszinseffekt. Es werden immer, immer mehr Daten generiert und man hat ein immer holistisches Bild von diesen 500.000 Leuten, auf vielen, vielen verschiedenen Ebenen. Und das würde ich sagen, ist wirklich, was dieses UK Biobank im Moment so speziell macht, so besonders macht, dass die Daten immer weiterwachsen und trotzdem immer noch der Allgemeinheit zugutekommen. Aber eben auch der Industrie, die plausibel machen muss, warum sie die Daten haben möchten. Aber dann können eben diese Daten auch benutzt werden, um die Medikamentenforschung voranzutreiben.

Moderation: Die UK Biobank ist nicht der einzige Vorreiter.

D. Ziemek: Es gibt andere Kohorten, zum Beispiel in Finnland, das nennt sich FinGen, da sind wir auch Teil davon. Aus populationsgenetischer Sicht sind die Finnen anders als der Rest von Europa und da kann man dann nochmal zusätzlich Einsichten gewinnen. Auch ist es so, dass in den nordischen Ländern das Gesundheitssystem sehr zentralisiert ist und die Daten sehr gut verwaltet werden und damit zentral zugreifbar sind. Das heißt, da, wenn man das Einverständnis der Menschen hat, kann man da sehr, sehr gut den genetischen Code oder was auch immer man erhebt, mit den Krankendaten verbinden.

Moderation: Daniel Ziemek und sein Team interessieren sich besonders für Entzündungskrankheiten. Deshalb schauen sie spezifisch nach Zusammenhängen mit bestimmten Krankheitsbildern, beispielsweise Rheuma.

D. Ziemek: Ja, also was meine Gruppe dann macht. Wenn man diese Daten hat, wenn wir also den Zugriff auf diese Daten haben, dann gucken wir sehr spezifisch für gewisse Indikationen. Also in diesen 500.000 Leuten sind dann ja trotzdem, sagen wir mal, 10.000 Leute, die Rheuma haben, und wir haben die Krankendaten davon. Und dann würden wir sehr speziell versuchen, für diese 10.000 Leute, sagen wir mal, mit Rheuma, zu gucken und die in Beziehung zu setzen, zum Beispiel mit den genetischen Daten, wo wir den genetischen Code für jedes dieser Proteine haben. Gibt es da Stellen in den Proteinen, die damit assoziiert sind, dass diese Leute Rheuma haben? Oder vielleicht eine besondere schwere Art von Rheuma? Und dann zu sagen, aha, wenn also diese Stelle in diesem speziellen Protein, wenn sich die ändert, wenn dann die Leute Rheuma haben, dann könnte es doch sein, dass, wenn wir ein Medikament entwickeln, was genau dieses Protein angreift hinterher, dass das diesen Leuten helfen könnte.

Moderation: Bei der Analyse der Daten spielen Algorithmen eine große Rolle. Die Datenmengen sind so enorm, dass sie gar nicht mehr von einzeln Menschen analysiert werden könnten.

D. Ziemek: Wenn man sich das vorstellt, das ist schon eine ziemlich große Tabelle und da soll man dann eben rausfinden, welche dieser Zellen in dieser ganzen Tabelle sind eben die, die wichtig sind, dass ich Rheuma kriege. Und da ist viel Mathematik zu tun im Endeffekt, viel Algorithmik, viel Informatik und viel Forschung, wie man das am besten macht. Ein anderes sozusagen Feld, was da mit reinspielt heutzutage, was auch oft in vieler Munde ist, ist die künstliche Intelligenz. Das war für lange Zeit natürlich so ein Stichwort, was viele Leute gerne in den Mund genommen haben, aber es war vielleicht ein bisschen früh, sagen wir mal. Aber es ist tatsächlich inzwischen so, dadurch, dass die Datenmengen wirklich rapide anwachsen, dass Methoden der künstlichen Intelligenz eine Rolle spielen. Und es ist natürlich auch so, es wird ja oft gerne kritisiert, dass es nicht einfach hilft, mehr Daten zu haben, mehr Daten können einen auch auf den falschen Pfad führen. Und es ist natürlich wichtig, die richtigen Daten auszuwählen, aber selbst, wenn man das tut, wenn man sagt, ja, ich bin jetzt so interessiert an den Rheuma-relevanten Sachen und an dem genetischen Code und vielleicht diesen Proteinen, dann werden die Datenmengen inzwischen so groß, dass man da investieren muss, um die richtigen Algorithmen, die richtigen Methoden anzuwenden. Und da ist es tatsächlich inzwischen so, dass Methoden der künstlichen Intelligenz auch helfen.

Moderation: Doch auch mithilfe Künstlicher Intelligenz ist der Weg von Erkenntnissen und Hinweisen aus der Datenanalyse hin zu einem neuen Medikament noch sehr lang.

D. Ziemek: Wir versuchen, in diesen riesigen Datenmengen eben Hypothesen zu finden, die dann für die Medikamentenforschung relevant sind. Aber natürlich beginnt dann erst der Prozess der echten Medikamentenentwicklung. Ich habe ja gesagt, wir sind in der sehr frühen Forschung, also unser Schritt ist immer, diese Daten zu analysieren, aber dann direkt zu den Kollegen in der Biologie zu gehen und mit denen zu überlegen, wie können wir das denn experimentell testen. Also keine dieser Sachen ist so weit, und das wird auch für viele, viele Jahre nicht so sein, dass wir sagen können, aha, hier haben wir was gefunden, dann ist ja schon klar, das ist das Medikament, dann sind wir ja quasi schon fertig.

Moderation: Durch die richtigen Daten und die passenden Methoden sind also Hypothesen möglich zu potenziellen Angriffspunkten neuer Therapien. Der nächste Schritt wäre es dann, ein Experiment zu entwickeln, um diese Hypothese zu testen.

D. Ziemek: Man muss das in einem zellulären System testen, also auf jeden Fall diese Hypothese in einer Petrischale, in einem biologischen Experiment erstmal testen, ob es überhaupt sein kann. Und dann sich weiter überlegen, ob es Sinn macht, da rein zu investieren. Irgendwann ist es dann so weit, dass man das dann auch im Tierversuch sich angucken muss.

Moderation: Man schaut dann beispielsweise in Tiermodellen für ganz bestimmte Krankheiten, ob die Hypothese stimmt und der Krankheitszustand verbessert werden kann.

D. Ziemek: Wenn dem dann alles so ist, dann kann man langsam dahin kommen, wirklich die, sagen wir mal, die Pille zu entwickeln, die man vielleicht den Menschen geben könnte. Und natürlich kommt dann erstmal noch der Schritt, dann muss man es wieder in Tieren testen, bevor man es den Menschen gibt und dann irgendwann, da sind wir jetzt schon bei Jahren nach dieser ersten Hypothese, wird das dann in klinische Studien gebracht und dann zum ersten Mal Menschen gegeben.

Moderation: Und schon sind wir wieder mitten im Feld der klinischen Studien. Diesem Thema widmete sich Folge 3 der ersten Staffel ausführlich. Und wer mehr über den allerersten Schritt einer Medikamentenentwicklung, nämlich die Entdeckung neuer Wirkstoffkandidaten erfahren will, dem sei ans Herz gelegt, einfach mit Folge 1 der ersten Staffel noch mal vorn einzusteigen. Wie die Digitalisierung zu medizinischem Fortschritt beitragen kann, fasst Daniel Ziemek zum Abschluss dieser zweiten Staffel noch mal wie folgt zusammen:

D. Ziemek: Aus meiner Sicht ist wirklich der einzige Weg, da besser zu werden, ist eben die Patienten, die man im Endeffekt behandeln will, molekular-biologisch und klinisch so gut wie möglich zu charakterisieren. Und man braucht da auch einfach eine gewisse Anzahl an Leuten, die man so charakterisiert, sonst kann man eben nicht diese Statistik, man kann eben nicht diese Methoden anwenden. Und da wird, denke ich, noch sehr viel sich entwickeln in den nächsten Jahren, mehr Daten werden kommen und eben aber auch die Methoden werden sich entwickeln. Und in diesem Zusammenspiel von Daten und Methoden werden Fortschritte kommen und ich denke, da wird die Medikamentenentwicklung von profitieren und wir werden besser darin werden, Medikamente zu entwickeln, die dem Patienten wirklich helfen.

Moderation: Mit dieser Folge endet „Charles² – Pharma Insights“ vorerst. Sofern Sie den Podcast noch nicht abonniert haben z. B. bei Spotify oder Apple Podcasts, laden wir nochmals herzlich ein, dies zu tun. So verpassen Sie es nicht, sollten neue Folgen erscheinen. Alle bisherigen Folgen und weitergehende Informationen finden Sie auf unserer Website www.pfizer.de. Wenn Ihnen „Charles² – Pharma Insights“ gefällt, empfehlen Sie uns gern weiter. Herzlichen Dank fürs Zuhören und alles Gute.