Charles² – Pharma Insights

Wie aus einem Wirkstoff eine Tablette wird

Episode Summary

Bei der Entwicklung neuer Arzneimittel gibt es einiges zu beachten, damit sie einen Wirkstoff genau dahin bringen, wo er wirken soll. Sogenannte Hilfsstoffe geben einer Tablette die nötige Größe und Stabilität, steuern aber auch, wann und wie der Wirkstoff im Körper freigesetzt wird. In Folge 2 von „Charles² – Pharma Insights“ sprechen Dr. Clemens Stief, der die Entwicklung neuer Tabletten und Kapseln am Produktionsstandort Freiburg leitet, und Dr. Meike Vanhooren, die mit ihrem Team auf globaler Ebene Zulassungsbehörden über Entwicklungsprojekte informiert. Sie erläutern, was geschehen muss, damit eine neue Therapie schnell zu jenen Menschen kommen kann, für die aktuell keine oder nur unbefriedigende Möglichkeiten zur Behandlung verfügbar sind.

Episode Notes

Bei der Entwicklung neuer Arzneimittel gibt es einiges zu beachten, damit sie einen Wirkstoff genau dahin bringen, wo er wirken soll. Sogenannte Hilfsstoffe geben einer Tablette die nötige Größe und Stabilität, steuern aber auch, wann und wie der Wirkstoff im Körper freigesetzt wird. In Folge 2 von „Charles² – Pharma Insights“ sprechen Dr. Clemens Stief, der die Entwicklung neuer Tabletten und Kapseln am Produktionsstandort Freiburg leitet, und Dr. Meike Vanhooren, die mit ihrem Team auf globaler Ebene Zulassungsbehörden über Entwicklungsprojekte informiert. Sie erläutern, was geschehen muss, damit eine neue Therapie schnell zu jenen Menschen kommen kann, für die aktuell keine oder nur unbefriedigende Möglichkeiten zur Behandlung verfügbar sind. Weitere Informationen gibt es unter www.pfizer.de/podcast-charles2.

Episode Transcription

Transkript zu Folge 2 von „Charles² – Pharma Insights“

Anmoderation: Rund, etwas langezogen, weiß oder eher gelblich, vielleicht auch mit einer Kerbe. Wir alle kennen Tabletten in verschiedenen Formen, Größen und Farben. Solche äußerlichen Merkmale springen ins Auge. Das Wichtigste aber sind die „inneren Werte“ einer Tablette. Sie muss so zusammengesetzt sein, dass ihr Wirkstoff da ankommt, wo er wirken soll. Wie aus einem Wirkstoff eine Tablette wird, erfahren Sie in dieser Folge von „Charles² – Pharma Insights“, einem Podcast von Pfizer Deutschland. Ich bin dort Kommunikationsmanagerin, heiße Anke Kugelstadt und spreche für diesen Podcast mit Kolleginnen und Kollegen.

Moderation: Dr. Clemens Stief arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei Pfizer. Er leitet die Entwicklung neuer Tabletten und Kapseln am Standort Freiburg im Süden Deutschlands. Dort werden viele der neuen Medikamente von Pfizer entwickelt und für mehr als 150 Länder der Welt produziert. Das Wichtigste an einem Arzneimittel ist der Wirkstoff, der in uns pharmakologisch aktiv werden soll. Clemens Stief erklärt, was in einer Tablette noch enthalten ist. 

C. Stief: Also ich denke der Wirkstoff ist schon die Hauptkomponente, denn sonst haben wir natürlich in der Therapie irgendwo eine Lücke. Aber es ist völlig korrekt: Der Wirkstoff ist eine der Komponenten, die sich unter anderem – mit weiteren Hilfsstoffen kombiniert – erst zu einer Tablette formiert. Das heißt, wir haben einen Wirkstoff und wir haben Hilfsstoffe, die zusammen eben diese Tablette bilden oder auch ebenso eine Kapsel bilden. Das klingt jetzt relativ simpel, ist aber durchaus eine spannende Sache. Wenn wir uns die Hilfsstoffe mal anschauen, dann reden wir so im Allgemeinen von solchen Füllstoffen. Und ich denke da kennt jeder die Laktose. Laktose kennt man vom Nahrungsmittelbereich. Und die nutzen wir auch. Das ist einer unserer Füllstoffe, die gibt also einer Tablette Volumen. Wir müssen aber Elemente wie Schmierstoff nehmen. Schmierstoffe hört sich nach Öl an, ist ähnlich wie beim Auto. Wir müssen tatsächlich dafür sorgen, dass wir im Rahmen der Verarbeitung eine gewisse Schmierung gewährleisten. Wir reden von Stoffen, die den Wirkstoff benetzen helfen. Das kann man sich so ein bisschen vorstellen wie Spüli zuhause. Wir reden von Sprengmitteln, die dafür sorgen, dass die Tablette tatsächlich schnellstmöglich auch zerfällt und den Wirkstoff freigibt. Aber auf der anderen Seite von Klebstoffen. Klebstoffen, die wir brauchen, um überhaupt die Form der Tablette stabil zu halten. In diesem Zusammenhang zählen auch die Verzahnungsmittel mit dem gleichen Zweck. Und dann zum Schluss – und das ist das was wir auch sehe –, der Filmcoat. Der Filmcoat, der umhüllt die Tablette und ist nicht nur dazu da, eine schöne Farbe für den Patienten zur Verfügung zu stellen, sondern letztendlich sind viele unserer Arzneistoffe, die wir einnehmen müssen, bitter. Und um das zu kaschieren – weil wenn wir sie aufnehmen haben wir natürlich direkt den Geschmack auf der Zunge – sorgen diese Coats dafür, dass dieser bittere Geschmack gar nicht erst zu Tage tritt. Und wir haben an der Stelle mit diesem Filmcoat auch die Möglichkeit, die Freisetzung des Wirkstoffes im Körper, also sprich – wie wir tatsächlich zu welchem Zeitpunkt welche Menge aus der Tablette herausbekommen – steuern können.

Moderation: Auch wo und wie schnell im Magen-Darm-Trakt ein Wirkstoff freigesetzt werden soll, steuern also Hilfsstoffe z. B. über einen Filmcoat, also die Beschichtung einer Tablette. Hilfsstoffe haben demnach bestimmte Aufgaben, müssen aber weitere Kriterien erfüllen.

C. Stief: Hilfsstoffe an sich, die wir einsetzen, dürfen natürlich keine Eigenwirkung haben. Wir wollen uns auf den Wirkstoff konzentrieren und möchten natürlich von dem Wirkstoff die entsprechende therapeutische Wirkung auch ausnutzen. Das heißt wir sollten schon die Freiheit haben, mit den Hilfsstoffen ein entsprechendes Freisetzungsprofil, also wieviel pro Zeiteinheit von dem Wirkstoff tatsächlich dem Körper zur Verfügung gestellt wird, steuern können. Aber wir müssen darauf achten, dass diese Hilfsstoffe an sich selbst kein eigenes Wirkungsspektrum aufweisen. Wir wollen den Wirkstoff mit den Hilfsstoffen so designen, dass wir die bestmögliche Verfügbarkeit des Arzneimittels für den Körper gewährleisten können.

Moderation: In der ersten Folge haben Kollegen erzählt, wie neue Wirkstoffe entwickelt werden. Dabei durchläuft eine neue Substanz zunächst eine Laborphase. Zuerst finden Untersuchungen in vitro, also außerhalb eines lebenden Organismus statt – z. B. in einem Reagenzglas oder an Zellen. Wenn der Wirkmechanismus gut verstanden ist, wird an Tieren getestet und noch später erstmals Menschen die neue Substanz verabreicht. In der ersten Phase einer klinischen Erprobung geht es darum, eine geeignete Dosierung zu finden. Nach dieser Phase-I-Prüfung kommen Clemens Stief und sein Team ins Spiel.

C. Stief: Das heißt wir haben den Wirkstoff jetzt, wir wissen schon die Verteilung im Körper. Und jetzt schauen wir uns an, wie könnte eine mögliche Darreichungsform daraus abgeleitet werden? Bleiben wir mal an dem Beispiel der Kapsel und der Tablette: Ab hier gehen wir in die direkte Diskussion mit unseren Forschungskollegen, die also die früheren Entwicklungsphasen bereits durchlaufen haben, und stimmen mit diesen Kollegen eine weitere mögliche Fertigung auch im Großmaßstab schon ab. Wir werden also in der nächsten Phase der klinischen Studien bereits mit unseren Kollegen der Forschung beratend tätig werden und bekommen einen ersten Eindruck über das neue Arzneimittel.

Moderation: Damit die Wirksamkeit und die Verträglichkeit einer neuen Substanz in klinischen Studien näher untersucht werden können, muss das Team von Clemens Stief in Freiburg nun sogenannte Klinikmuster herstellen. Es geht also in die Entwicklungsphase einer Tablette.

C. Stief: Die Forschung mündet dann in die Entwicklung. Und in der Entwicklung heißt das jetzt für uns: Wir wissen es wirkt am Patienten, wir wissen, dass die Darreichungsform beispielweise eine Kapsel oder eine Tablette ist, und wir gehen an dieser Stelle nun in die Fertigungsoptimierung, wenn Sie so wollen. Diese Fertigungsoptimierung bedeutet, dass wir nun mehr und mehr in der Verantwortung für die Klinikmusterfertigung übernehmen und den Wissensgewinn nun auch in Richtung der Produktionsorientierung hin ausweiten. Man muss sich das als eine Art Kette vorstellen: Im Rahmen der ersten Stufen werden wir beratend tätig. Und im Rahmen der zweiten Stufe, wenn wir die Tablette in die Klinik bringen, sorgen wir unter anderem auch dafür, dass wir diese Arzneimittel in dem entsprechenden Entwicklungsstadium dann den Kliniken zur Verfügung stellen können. Parallel dazu haben wir mit regulatorischen Kollegen die Möglichkeit, bereits einen Behördenkontakt aufzubauen, wenn dies notwendig ist, um auch frühzeitig dort einen Informationsaustausch mit den Behörden gewährleisten zu können.

Moderation: Der Kontakt mit den Zulassungsbehörden startet lange bevor absehbar ist, ob aus einer vielversprechenden Substanz überhaupt mal ein Medikament wird. Dr. Meike Vanhooren hat Chemie studiert und ist seit 1993 für Pfizer tätig. Sie leitet eine globale Abteilung und muss die Entwicklungsprojekte im Detail kennen und verstehen, um sie wiederum Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt erklären zu können. 

M. Vanhooren: Das fängt eigentlich schon sehr früh an, eigentlich schon in dem Moment, wo wir die klinischen Studien starten. Also in der Phase I erproben wir dann ja unseren Wirkstoff an gesunden Probanden und da geben wir eigentlich immer noch sehr einfache Produkte, also zum Beispiel den Wirkstoff in einer einfachen Kapsel – oder der Wirkstoff wird kurz vorher in der Krankenhausapotheke angemischt und dann verabreicht. Das ist also dann noch nicht das Produkt, was später auf den Markt kommt. Und auf dem Weg dahin gibt es viele Weichen und Entscheidungsmomente, wo wir die Behörden miteinbeziehen wollen. Am Anfang wissen wir auch noch recht wenig: Wie verhält sich der Wirkstoff im Körper? Wie verteilt er sich? Wie wird er ausgeschieden? Und so weiter. Und im Laufe der Entwicklung müssen viele Entscheidungen getroffen werden und bei den wichtigen Entscheidungen wollen wir informieren.

Moderation: Wie man sich den Austausch zwischen einem Arzneimittelhersteller und den Zulassungsbehörden vorstellen kann, beschreibt die Chemikerin so:

M. Vanhooren: Es geht im Prinzip darum, die Behörden miteinzubeziehen und auch zu informieren, also wir stellen dann unsere Position dar oder bitten gegebenenfalls um zusätzliche Meinung, wollen im Prinzip abprüfen: Sind wir auf dem richtigen Weg? Vergessen wir etwas? Gibt es noch was zu beachten? Und je früher wir dann auch die Bedenken der Behörden oder auch Anregungen aufgreifen, umso schneller geht es. Denn eins ist mir doch sehr wichtig: Am Ende wartet ein Patient, ob es sich jetzt um einen Impfstoff handelt, um eine neue Krebstherapie, um ein Medikament für eine seltene Erkrankung – am Ende wartet ein Patient und das treibt mich und meine Kollegen an.

Moderation: Um zu schildern, was inhaltlich mit den Behörden besprochen wird, geht Meike Vanhooren beispielhaft auf Untersuchungen zur Haltbarkeit ein.

M. Vanhooren: Wir testen unsere Produkte unter Stressbedingungen. Wir machen sie sehr heiß oder es ist sehr feucht. Und so wissen wir dann schon sehr früh, wie stabil oder haltbar ein Produkt ist. Für die Zulassung brauchen wir dann aber sogenannte Echtzeitdaten und das dauert oft bis zu zwölf Monate, bis wir die haben.

Moderation: Echtzeitdaten entstehen, wenn man das Arzneimittel über entsprechend viele Monate bestimmten Bedingungen aussetzt. Sie werden dazu zum Beispiel bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit gelagert.

M. Vanhooren: Aber eigentlich sind die Ergebnisse dieser Echtzeitstudien reine Formsache, weil wir wissen ja schon vorher, wie sich unser Molekül verhält. Also treten wir in Kontakt mit den Behörden, zeigen die Ergebnisse dieser Stresstests und entscheiden schon sehr frühzeitig, auch einvernehmlich, wie diese Echtzeituntersuchungen aussehen sollten.

Moderation: Wenn Meike Vanhooren hier von Behörden spricht, bezieht sie das zum Beispiel auf die Food and Drug Administration – kurz FDA – also die für Arzneimittel zuständige Behörde der USA. Mit der FDA hat ihr Team den intensivsten Kontakt.

M. Vanhooren: Praktisch muss man sich das so vorstellen: Man schreibt der FDA und fasst in einer kurzen Frage das Thema zusammen, also zum Beispiel: Wir beabsichtigen für Produkt X folgende Stabilitätsuntersuchung einzureichen, sind Sie einverstanden? Die FDA meldet sich dann mit einem Terminvorschlag und bittet kurz vorher das Thema kurz vorzustellen. Und zu diesem Zeitpunkt reichen wir dann alle relevanten Stabilitätsdaten ein, die wir haben – zum Beispiel diese Stressdaten –, die unseren Standpunkt unterbauen. Und die Wissenschaftler der Behörde prüfen dann die Unterlagen und stimmen entweder zu, kommentieren oder schlagen zusätzliche Untersuchungen vor. Am Ende zählt natürlich nur, was im endgültigen Dossier steht und auch erst dann wird eine abschließende Beurteilung seitens der Behörde vorgenommen. Aber dieser wissenschaftliche Dialog ist sehr wichtig.

Moderation: Worum sich in den USA die FDA kümmert, ist auf europäischer Ebene die European Medicines Agency – kurz EMA – zuständig. In den frühen Phasen der Medikamentenentwicklung läuft der Kontakt aber noch stark über die jeweiligen Behörden der einzelnen EU-Länder, was durchaus auch Herausforderungen bedeutet.

M. Vanhooren: FDA, das ist eine Behörde. Und EMA – das europäische Pendant – sind eigentlich 27 Behörden. Und der Kontakt mit den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten wird über die EMA koordiniert. Das ist etwas formeller, dauert länger. Die Zulassung in Europa ist quasi föderal organisiert. Und für die Zulassung werden dann zwei Länder nominiert, die als Rapporteur und Ko-Rapporteur die Zulassungsunterlagen quasi stellvertretend genau überprüfen für alle anderen. Aber diese Nominierung erfolgt erst spät. Also zum Zeitpunkt der Phase-I- und Phase-II- klinischen Studien ist also noch nicht bekannt, wer Rapporteur oder Ko-Rapporteur wird. Und trotzdem ist in dieser frühen Phase auch ein wissenschaftlicher Austausch möglich und auch nötig. Und da werden dann alle Mitgliedsstaaten eingebunden. Dieser dezentrale Ansatz kann Vorteile haben, aber wir müssen uns auch vor zu viel Bürokratie wappnen. Und eins ist mir sehr wichtig: Fakt ist, Patienten sind gleich. Ob sie nun in Berlin, Paris oder Rom leben oder in New York. In der wissenschaftlichen Beurteilung unsere Daten sollten nationale Gedanken keine Rolle spielen.

Moderation: Auch wenn neuartige Technologien ins Spiel kommen, haben Behörden viele Fragen, denn sie wollen auch den Prozess, wie Arzneimittel hergestellt werden, genau verstehen.

M. Vanhooren: Also in Freiburg wird mit PCMM gearbeitet, das ist eine brandneue Technologie, mit der wir viele Tabletten in sehr kleinen Produktionseinheiten kontinuierlich herstellen können. Und diese Technologie ist so neu, dass wir zurzeit nur wenige Standorte in Europa haben, und auch weltweit, und Freiburg ist einer davon. Und für Behörden ist es manchmal sehr schwer, etwas zu beurteilen, was man nicht gesehen hat. Wenn Sie sich daran erinnern – also die Wissenschaft, die geht so schnell voran. Also ich habe in den Neunzigern Chemie studiert und viele der Dinge, die jetzt Routine sind, die waren damals noch nicht mal ansatzweise in den Vorlesungen besprochen worden. Und dieser Austausch über neue Technologien und Innovation ist dann auch ein Angebot an die Behörden, die Dinge zu sehen, zu verstehen und Fragen zu stellen – und das wird sehr gerne von den Behörden angenommen. Ich wurde persönlich zum Beispiel auch schon mal eingeladen von südkoreanischen Behörden, um gerade über diese neue Technologie zu sprechen. Oder wir sind zusammen mit Kollegen aus Freiburg nach Washington gefahren und haben dort die Technologie vorgestellt.

Moderation: Doch warum möchten die Behörden nicht nur über eine Tablette selbst, sondern auch darüber, wie sie hergestellt wird, so viel wissen? Pharmazeut Clemens Stief erläutert die hochmoderne kontinuierliche Produktion in Freiburg mit einem Vergleich.

C. Stief: Sie müssen sich das so vorstellen: Sie haben tatsächlich Säcke an Hilfsstoffen, Sie haben Säcke mit Wirkstoff. Die werden dann dosiert. Wir sind im Grunde am Start eines Tunnels – Sie fahren in den Tunnel rein und hinten kriegen sie eine Filmtablette raus. Was passiert dazwischen? Das ist die Frage, die eigentlich auch die Behörden haben: Haben wir noch den Überblick? Haben wir die Kontrolle über die Fertigung des Arzneimittels in diesem Tunnel? Und deswegen ist an der Stelle für die Behörden wichtig zu verstehen: Wo schauen wir in den Prozess hinein? Mit welcher Güte schauen wir in den Prozess hinein? Und haben wir tatsächlich die Kontrolle über den Prozess?

Moderation: Um den Prozess zu kontrollieren, gibt es schon während der Tablettenherstellung zahlreiche Tests. Unter anderem mit Licht.

C. Stief: Wir strahlen Licht auf das Arzneimittel und können durch die Reflexion aus dem Arzneimittel heraus ablesen, ob die Dosis, die sich in der Tablette – zu dem Zeitpunkt vielleicht in einem Pulver – befindet, genau der entspricht, die wir erwarten. Wir schauen also während der Fertigung in die Tablette hinein. Wir testen die Tablette auf ihre Stabilität. Wir schauen, hat sie eine entsprechende mechanische Stabilität? Wenn wir Ausblistern, wollen wir die Tablette in der Hand haben und keine Granulate. Wir schauen im Grunde mit diesen In-Prozess-Kontrolltest während der gesamten Fertigung auf die Qualität des Arzneimittels. Diese wird zu jedem Zeitpunkt während der Fertigung kontrolliert und erlaubt uns dadurch, wenn wir in einem zweiten Schritt in die Routineproduktion gehen und dort diese Tests mit transferieren, dass wir auch über den Produktionsprozess, vielleicht auch mit größerer Skalierung, also sprich mit größeren Ansatzgrößen, die garantierte Dosis pro Tablette gewährleisten können.

Moderation: Aber nicht nur während, sondern auch nach der Herstellung wird noch mal genau geprüft.

C. Stief: Nach Produktionsende, wenn wir dann die Tabletten vorliegen haben, nehmen wir ein repräsentatives Muster. Dieses Muster wird in unsere analytische Abteilung übergeben, die im Rahmen der Freigabeanalytik noch einmal bestätigen, dass die entsprechende, von uns gewünschte Dosis pro Tablette gegeben ist und das wir dort die entsprechende Qualität als letztendliche Testung für den Patienten garantieren können.

Moderation: Bei der Entwicklung neuer Tabletten werden zunächst noch überschaubare Mengen benötigt, um neue Wirkstoffe im Rahmen klinischer Studien untersuchen zu können. Das Team um Clemens Stief hat jedoch schon bei der Entwicklung der Klinikmuster im Blick, dass im Falle einer Zulassung viel mehr, also in großem Maßstab hergestellt werden muss. Dabei bedient man sich auch digitaler Möglichkeiten wie Simulationen.  

C. Stief: Wenn wir uns im Rahmen der Entwicklung vorstellen, dass wir einen Wirkstoff gezielt synthetisieren, dann können Sie sich auch vorstellen, dass wir diesen Wirkstoff in geringer Menge zur Verfügung haben. Das heißt, in meiner Abteilung sind die Anlagen, mit denen wir ein Arzneimittel in erster Linie mal formulieren, relativ klein. Wir müssen bereits mit kleinen Anlagen verstehen lernen, was dieses Arzneimittel später können muss. Wir haben an der Stelle auch die Möglichkeit mit Simulationen zu arbeiten, was eben auch diesen digitalen Ansatz berücksichtigt. Wir können sogenannte Digital Twins aufbauen, das sind eigentlich – wenn man so will –, nichts anderes als eine Simulation am Rechner, die uns bereits einen ersten Eindruck über die Entwicklung im Gesamten erlaubt. Wenn ich mir diese kleinen Maschinen anschaue, dann habe ich an der Stelle – mit dem Erfahrungsschatz meiner Mannschaft – einen ersten guten Ansatz zur Produktionsreife gelegt.

Moderation: Das Team von Clemens Stief kümmert sich neben der Produktentwicklung also auch um die Prozessentwicklung. Die Produktion im großen Maßstab übernehmen im Freiburger Werk dann andere Teams mit Anlagen, die bis zu zwei Stockwerke hoch sind.

Moderation: Doch kommen wir noch mal auf die Entwicklungsarbeit zurück. Auch wenn die Tablette die häufigste Arzneimittelform ist, eignet sich nicht jeder Wirkstoff dafür, eingenommen zu werden. Worum es bei einer Darreichungsform eigentlich geht, erklärt Chemikerin Meike Vanhooren.

M. Vanhooren: Wenn wir ein Medikament nehmen, wollen wir, dass der Wirkstoff dort wirkt, wo er gebraucht wird – und nur dort. Also muss der Wirkstoff dort ankommen und unterwegs nicht im Magen verdaut werden oder abgebaut werden, also Sie wissen ja: die Magensäure, das sind sehr drastische chemische Bedingungen, die da herrschen. Und nicht jeder Wirkstoff hält das aus. Insofern gibt es einige Wirkstoffe, die kann man nicht oral zu sich nehmen, die muss man intravenös geben oder anders dem Körper hinzuführen. Jeder kennt das im klassischen Sinn bei Antibiotika zum Beispiel, also für Notfälle gibt es dann die intravenösen Darreichungsformen, die direkt und schnell übers Blut im Körper verteilt werden, das findet dann im Krankenhaus statt. Es gibt dann aber auch Tabletten, die mit nach Hause gegebenen werden, die man selbst nimmt; oder Suspensionen, die dann auch Kinder einnehmen können; es gibt Augentropfen, wenn man eine Entzündung im Auge hat oder Salben, wenn man einfach eine Wunde entzündet hat. Und insofern gibt es die Notwendigkeit, je nachdem wo etwas wirken soll, das irgendwie anders zu verpacken und dahin zu bringen, wo es im Körper wirken soll.

Moderation: Meike Vanhooren arbeitet auf globaler Ebene. Sie ist überzeugt, dass eine internationale Vernetzung für die Entwicklung neuer Arzneimittel von großer Bedeutung ist.

M. Vanhooren: Unsere Forschung ist international und sehr vernetzt. Und die wissenschaftliche und technische Expertise ist auch global verteilt. Es gibt keine Ländergrenzen in dem Sinne. Und ein lokales Team kann das gar nicht mehr leisten. Unsere Forschungsprogramme hier bei uns sind global aufgestellt und alle Daten, die generiert werden, werden simultan geteilt. In der Wissenschaft hat man auch viele Sackgassen, die gegangen werden. Das heißt, wenn man in einem kleinen Team zusammenarbeitet, kann es sein, dass man sich auch schnell verrennt. Man muss also seine Untersuchungsergebnisse immer abklopfen auf Fehler, sich eigentlich immer auch gegenseitig kritisieren, um dann schnell in einem iterativen Prozess sich zu korrigieren und besser zu werden, um dann das Ziel zu erreichen. Und das kann man nicht mit einem Dorf, in einer Stadt, mit einem Land machen, da braucht es alle Disziplinen.

Moderation: Der Kontakt mit den Zulassungsbehörden startet früh in der Medikamentenentwicklung, hört mit einer Zulassung aber noch lange nicht auf.

M. Vanhooren: Mein Team kommt immer dann ins Spiel, wenn sich die Darreichungsform ändert. Ich erkläre also für die ganze Lebensdauer des Medikaments oder des Wirkstoffes die Details zu allen Fragestellungen rund um Herstellung und Kontrolle des Produktes. Die Forschung steht nicht still, es entwickelt sich immer weiter. So werden dann neue Formulierungen entwickelt, in denen der Wirkstoff langsamer und besser an den Körper angegeben wird. Sobald dann eine neue Formulierung entwickelt wird, treten wir wieder mit den Behörden in Kontakt, um genau die Behörden im Prinzip einzubeziehen oder zu erklären, warum wir bestimmte Entscheidungen getroffen haben. Und besonders findet das bei Darreichungsformen für Kinder statt, wo wir sehr eng mit den Behörden zusammenarbeiten, um Medikamente für Kinder zu entwickeln, die Kinder dann auch sicher einnehmen können. Weil gerade Kinder, das sind dann keine kleinen Erwachsenen, die dann mit einer halben Tablette abgespeist werden, sondern die Pharmakokinetik bei Kindern ist anders und das erfordert noch mal ein genaues Augenmerk.

Moderation: In dieser Folge haben Sie erfahren, wie früh in der Entwicklung neuer Arzneimittel der Austausch mit den Zulassungsbehörden beginnt. Der Informationsfluss und der Dialog sind bereits in vollem Gange, wenn ein vielversprechender Wirkstoffkandidat in die klinische Prüfung geht. Doch wie laufen klinische Studien eigentlich ab? Wie lässt sich bemessen, ob eine neue Therapie wirksam ist? Und wie zuverlässig können Verträglichkeit und Sicherheit ermittelt werden? Diesen und weiteren Fragen wird sich Folge 3 des Podcasts widmen. Erfahren Sie mehr über Pfizer und diesen Podcast auf unserer Website www.pfizer.de. Wenn Ihnen „Charles² – Pharma Insights“ gefällt, empfehlen Sie uns gern weiter. Natürlich freuen wir uns auch wenn Sie uns Abonnieren. Wenn Sie mögen, bis zum nächsten Mal.