Neue Arzneimittel und Impfstoffe werden zunächst im Labor und dann an Tieren überprüft. Ob sie Menschen wirklich helfen und auch verträglich sind, können erst Untersuchungen an freiwilligen Personen belegen. In Folge 3 von „Charles² – Pharma Insights“ erläutert der Arzt Dr. Gereon Zöllner, warum die Teilnahme an einer klinischen Prüfung immer auch ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag ist. Die Biochemikerin und Virologin Dr. Carolin Guenzel zeigt auf, warum es für die eigene Gesundheit Vorteile bringen kann, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Und Dr. Daniel Kalanovic, Arzt und medizinischer Leiter bei Pfizer in Deutschland, schildert, warum man sicher sein kann, dass die Studien später auch veröffentlicht werden. Und zwar unabhängig davon, welches Ergebnis herauskommt.
Neue Arzneimittel und Impfstoffe werden zunächst im Labor und dann an Tieren überprüft. Ob sie Menschen wirklich helfen und auch verträglich sind, können erst Untersuchungen an freiwilligen Personen belegen. In Folge 3 von „Charles² – Pharma Insights“ erläutert der Arzt Dr. Gereon Zöllner, warum die Teilnahme an einer klinischen Prüfung immer auch ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag ist. Die Biochemikerin und Virologin Dr. Carolin Guenzel zeigt auf, warum es für die eigene Gesundheit Vorteile bringen kann, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Und Dr. Daniel Kalanovic, Arzt und medizinischer Leiter bei Pfizer in Deutschland, schildert, warum man sicher sein kann, dass die Studien später auch veröffentlicht werden. Und zwar unabhängig davon, welches Ergebnis herauskommt. Weitere Informationen gibt es unter www.pfizer.de/podcast-charles2.
Transkript zu Folge 3 von „Charles² – Pharma Insights“
Anmoderation: Neue Arzneimittel und Impfstoffe werden zunächst im Labor und dann an Tieren überprüft. Ob sie Menschen wirklich helfen und auch verträglich sind, können erst Untersuchungen an Freiwilligen belegen. Wer bei einer klinischen Studie mitmacht, kann davon ausgehen, regelmäßig und gründlich untersucht zu werden. Aber warum erhalten nicht alle, die mitmachen, auch die neue Substanz? Und inwieweit können wir den Ergebnissen klinischer Studien vertrauen? Was in klinischen Studien geschieht, erfahren Sie in dieser Folge von „Charles² – Pharma Insights“, einem Podcast von Pfizer Deutschland. Ich bin dort Kommunikationsmanagerin, heiße Anke Kugelstadt und spreche für diesen Podcast mit Kolleginnen und Kollegen.
Moderation: Die Stimme von Dr. Daniel Kalanovic, der seit rund 15 Jahren bei Pfizer arbeitet, konnten Sie in Folge 1 dieses Podcasts schon mal hören. Als medizinischer Direktor repräsentiert er die Medizin für alle Indikationsfelder, in denen Pfizer tätig ist. Er schildert, warum klinische Studien durchgeführt werden.
D. Kalanovic: Klinische Studien spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Medikamenten. Einerseits, um den Wirkungsnachweis zu geben, um wirklich sagen zu können, dass das, was man da entwickelt, auch wirklich funktioniert – und da gab es in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte international, wie man das bestimmt. Da gibt es standardisierte Kriterien nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin. Andererseits ist es auch so, dass die klinischen Studien, wenn sie in verschiedenen Phasen durchgeführt werden, für uns, für die Medikamentenentwickler, eine ganz wichtige Rolle spielen, die besten Medikamente wirklich schon frühzeitig zu erkennen.
Moderation: Zu den verschiedenen Phasen ergänzt er:
D. Kalanovic: Also es gibt die Phase-I-Studien, wo man in der Regel an gesunden Probanden versucht zu erkennen, wie hoch kann man dosieren, wann beginnt das Medikament womöglich zu viele Nebenwirkungen zu haben – das wird da sehr genau untersucht. In der Phase II kommen Sie dann schon der Zielgruppe näher und schauen: wie ist die Wirksamkeit? Und wenn das erfolgreich ist, wenn das vielversprechend ist, dann kommen Sie in die großen sogenannten Phase-III-Studien, wo Sie wirklich gegen den Therapiestandard vergleichen und zeigen können, ob das, was Sie neu entwickeln, besser ist als das, was es schon gibt.
Moderation: Was in einer Phase-III-Studie geschieht, lässt sich an einem historischen Beispiel besonders gut greifbar machen. Dr. Gereon Zöllner ist Arzt und betreut gemeinsam mit mehreren Kolleginnen und Kollegen rund 60 Pfizer-Studien in Deutschland. Er erklärt, wieso ausgerechnet ein Schiffsarzt die kontrollierte klinische Studie erfunden hat.
G. Zöllner: Der heutige Goldstandard bei interventionellen Phase-III-Studien ist die sogenannte randomisierte, kontrollierte Studie. Und um zu erklären, was eine kontrollierte klinische Studie ist, da schauen wir mal zurück ins Jahr 1747. Zu dieser Zeit war James Lind Schiffsarzt bei der Royal Navy. Und damals war Skorbut, eine, wie wir heute wissen, Vitamin-C-Mangelerkrankung, eine der Haupttodesursachen bei Seeleuten. Als nun auch auf Linds Schiff zwölf Matrosen an Skorbut erkrankten, erlaubte ihm der Kapitän, einen Versuch durchzuführen. Und zwar glaubte Lind, dass es sich bei Skorbut um eine Folge von Fäulnis im Körper handelt, die man mit einer Säure behandeln könnte. Er war da nicht der erste, der diese Theorie hatte, aber er war der erste, der sie mit einem systematischen Versuch, also mit einer klinischen Prüfung, einer klinischen Studie beweisen wollte. Und für diesen Versuch brachte er dann die zwölf erkrankten Matrosen unter den gleichen Bedingungen auf demselben Deck unter. Alle erhielten die gleiche Nahrung, aber jeweils zwei Matrosen erhielten zusätzlich verschiedene säurehaltige Nahrung: Apfelwein, Schwefelsäure, ich glaube sogar Meerwasser. Und eine Gruppe, die erhielt zwei Orangen und eine Zitrone. Denn da hatte Lind schon den Verdacht, weil das schon öfter von den indischen Seefahrern berichtet worden war, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen könnten. Und tatsächlich, nach sechs Tagen war bereits einer der sechs Matrose wieder genesen und konnte ganz normalen Dienst tun. Der hatte also, wie wir heute sagen würden, den Studienendpunkt erreicht. Der Studienendpunkt, der wäre hier dann Arbeitsfähigkeit, Dienstfähigkeit. Und auch dem anderen Matrosen ging es schon besser. Und das ist ganz interessant in der Originalpublikation zu lesen, der arbeitete dann als Pfleger und hat sich um die anderen immer noch Erkrankten gekümmert.
Moderation: Heutzutage sind klinische Studien aber in der Regel nicht nur kontrolliert, sondern das Verum, also der zu untersuchende Wirkstoff, wird häufig gegen ein Placebo getestet.
G. Zöllner: Ja, ein Placebo ist ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff. Man gibt das in vielen klinischen Studien einer Kontrollgruppe, um auszuschließen, dass die therapeutische Wirkung auf den sogenannten Placeboeffekt zurückzuführen ist. Dabei versteht man unter Placeboeffekt die heilende Wirkung eines Medikamentes, das keinen Wirkstoff enthält. Wie genau das funktioniert, ist letztendlich noch nicht ausreichend erforscht, aber wichtig dabei ist ganz sicher der Glaube. Das sagt uns ja schon die Bibel: Glaube kann Berge versetzen. Und hier ist es eben auch so, dass der Glaube an die heilende Wirkung dieses Medikamentes auch eine Wirkung machen kann. Auch wenn überhaupt kein Wirkstoff im Placebo ist. Und darum ist es auch ganz wichtig, dass der Patient nicht weiß, was er bekommt, ob er nun das Verum bekommt oder das Scheinmedikament, das Placebo.
Moderation: Damit die Teilnehmenden der Studie genau dies nicht wissen, wer den Wirkstoff und wer ein Scheinmedikament erhält, geschieht alles verblindet.
G. Zöllner: Eine Verblindung führt man nicht nur bei Placebo-kontrollierten Studien durch, sondern auch bei Studien mit einer oder auch mehreren, wie wir sagen, Kontrollarmen, in denen dann auch durchaus wirksame Medikamente gegeben werden. Und damit will man dann den Einfluss eliminieren, den das Wissen um die Behandlung, so würde ich das mal formulieren wollen, die man bekommt, haben könnte. Denn, wenn der Patient zum Beispiel weiß, ich bekomme das neue Medikament und er dann einen Fragebogen zur Lebensqualität ausfüllen soll, dann ist er vielleicht so begeistert von dem neuen Medikament, so hoffnungsvoll, dass er den tendenziell etwas positiver ausfüllt. Und um diese Einflüsse möglichst zu eliminieren, ist es wichtig, dass mindestens mal die Patienten nicht wissen, was sie bekommen, also verblindet sind. Nun ist es aber so, auch andere Personen, also die Ärzte, Ärztinnen, die diese Studie durchführen, die sollen natürlich auch unbeeinflusst bleiben. Und wenn auch sie nicht wissen, was der Patient bekommt, und das ist in aller, aller Regel der Fall, dann nennt man das Doppelblindstudie. Und schließlich sollte man natürlich auch bei der Datenauswertung objektiv sein und deshalb kann man auch diese verblinden. Und das nennt man dann Dreifachblindstudie.
Moderation: Doch es gibt mehr zu beachten, damit Studienergebnisse aussagekräftig sind. Wichtig ist auch das zufällige Zuteilen auf eine der Behandlungsgruppen. Der Fachbegriff hierfür lautet Randomisierung.
G. Zöllner: Dadurch will man erreichen, dass die Gruppen möglichst homogen sind. Denn, wenn der Arzt und nicht der Zufall bestimmt, wer welcher Gruppe zugeordnet wird, dann besteht natürlich die Gefahr einer systematischen Verzerrung. Also wenn der Arzt zum Beispiel an das neue Medikament glaubt, weil er die Daten aus der Phase II gesehen hat und sagt, Mensch, das wirkt gut, dann könnte es natürlich passieren, dass er bewusst oder auch unbewusst vielleicht ältere, kränkere Patienten in die Gruppe mit dem neuen Medikament ordnet, weil er denen etwas Gutes tun will. Und genau das will man vermeiden. Wir wollen einen fairen Vergleich. Also die Gruppe, die das neue Medikament erhält und die Gruppe, die das Standardmedikament erhält oder die Gruppen, wenn es mehrere Standardmedikamente sind, die sollen ja etwa gleich zusammengesetzt werden. Und deshalb ist die Randomisierung so wichtig.
Moderation: Randomisiert wird auf verschiedene Studienarme.
G. Zöllner: Ein Studienarm bezeichnet eine Gruppe von Patienten, die die gleiche Behandlung erhält. Also ein Studienarm sind immer Patienten, die das neue Medikament erhalten. Dann kann es durchaus auch mal sein, dass das neue Medikament vielleicht sogar in zwei Dosierungen gegeben wird, dann haben wir schon zwei Studienarme. Und dann gibt es eigentlich auch immer bei kontrollierten klinischen Studien, über die wir jetzt sprechen, Vergleichsarme, wo dann eine Standardbehandlung gegeben wird oder auch mehrere Standardbehandlungen gegeben werden.
Moderation: Die Biochemikerin und Virologin Dr. Carolin Guenzel leitet in der globalen Organisation medizinische Projekte im Bereich Brustkrebs. Sie erläutert, dass die Verteilung der Teilnehmenden auf die Studienarme anhand sogenannter Ein- und Ausschlusskriterien erfolgt.
C. Guenzel: Ein- und Ausschlusskriterien sind bei der Inkludierung eines Patienten in eine Studie ganz wichtig. Wenn man sich zum Beispiel die Untersuchung eines Krebsmedikamentes vorstellt, dann ist es natürlich auch erstmal wichtig, dass der oder die Patient:in diesen spezifischen Krebstyp auch haben, bei dem man diesen Wirkstoff untersuchen muss. Das wäre jetzt ein ganz einfaches Einschlusskriterium. Da gibt es natürlich noch viele weitere Details, ob der Krebs zum Beispiel metastasiert ist oder nicht. Dann geht es teilweise auch bis zu den jeweiligen Blutwerten. Also das kommt immer auf die Studie an. Aber es ist generell das Ziel, die Studienpopulation so homogen wie möglich zu halten. Das ist natürlich auch nur bis zu einem gewissen Level erwünscht. Es ist ganz wichtig zum Beispiel, dass wir Patienten aus verschiedenen Teilen der Erde einschließen. Ob es jetzt Patienten aus den asiatischen Ländern sind oder aus europäischen oder anderen Ländern, das ist ganz wichtig, dass man diese Heterogenität natürlich dabei hat. Aber generell, was die physiologische Funktion und die physiologischen Charakteristika ausmacht, da gibt es ganz explizite Ein- und Ausschlusskriterien.
Moderation: Das Einschließen in eine klinische Studie geschieht an Studienzentren. Solche Zentren gibt es auf der ganzen Welt.
C. Guenzel: Also ein Studienzentrum ist jetzt nicht irgendwie ein abgeschlossenes Camp in irgendeiner Wüste, in dem alle Patienten zusammengetrommelt werden, um die Effizienz eines Wirkstoffes zu überprüfen. Studienzentren gibt es sozusagen auf der ganzen Welt und das passiert, sobald ein Arzt oder eine Ärztin einen Patienten oder eine Patientin in so eine Studie einschließt. Normalerweise sind Ärzte und Experten auf dem jeweiligen Gebiet, die wissen, wenn eine Studie startet, werden darüber informiert. Und wenn die Ein- und Ausschlusskriterien für den oder die Patient:in stimmen, können diese Patienten sozusagen an diesen Studien teilnehmen. Das heißt, der partizipierende Arzt und Patient, Patientin werden automatisch Teil eines Studienzentrums. Oder es wird dann zu einem Studienzentrum.
Moderation: Auf die Frage, wie viele Menschen typischerweise an einer klinischen Studie teilnehmen, nimmt Carolin Guenzel noch mal auf die verschiedenen Phasen Bezug.
C. Guenzel: Es gibt Phase-I-, Phase-II- und Phase-III-Studien. In der Phase-I-Studie, das ist eine klinische Studie, in der man einen Wirkstoffkandidaten, der zuvor nur an Tieren oder Zellen getestet worden ist, erstmalig an gesunden, freiwilligen Probanden testet. Und das Hauptziel liegt dabei hier in der Evaluierung der Pharmakokinetik, der Verträglichkeit und der Sicherheit des Medikamentes. Da nehmen auch wirklich nur eine Handvoll an Probanden teil. Wenn man merkt, dass das Medikament verträglich ist, dann geht man in die Phase II über. Das ist eine klinische Studie, bei der der Wirkstoffkandidat erstmal an Patienten, die wirklich die Zielerkrankung haben, eingesetzt wird. Das ist dann meistens im zweistelligen Bereich, kann auch im dreistelligen Bereich sein. Das Hauptziel ist, sich den gewünschten therapeutischen Effekt anzuschauen, also die Wirksamkeit, dann zu schauen, ob Nebenwirkungen auftreten, also die Verträglichkeit zu testen, und auch die Dosisfindung, also welche Dosierung nun am besten geeignet ist für die Patienten oder die Probanden, für diesen spezifischen Wirkstoff. Und sollte hier ein positiver Effekt auf die Wirksamkeit eintreten beziehungsweise Verträglichkeit, dann geht man in eine Phase-III-Studie über. Und hier wird normalerweise dieses potenzielle neue Arzneimittel gegenüber dem bisherigen Therapiestandard überprüft. Hier nehmen auch viel mehr Patienten teil, mehrere 100 bis mehrere 1.000 Patienten, das kommt immer auf die Erkrankung an. Man kann sich generell auch als Faustregel merken, von Phase I bis Phase III nimmt der Anzahl der Probanden zu. Und das ist auch wichtig. In einer Phase-III-Studie möchte man ein größeres Patientenkollektiv haben, um Signifikanz nachweisen zu können. Und dafür sind größere Patientenzahlen erforderlich.
Moderation: Weil Studien unterschiedlich groß angelegt sind, überrascht es nicht, dass auch ihre Dauer sehr unterschiedlich ausfallen kann.
C. Guenzel: Das heißt, es ist wirklich entscheidend, in welcher Erkrankung man unterwegs ist, wie lange eine Studie dauert. Man muss sich auch vorstellen, dass nicht alle Patienten an einem Datum gleichzeitig in eine Studie eingeschlossen werden, sondern das kann sich über Monate ziehen. Wenn das zum Beispiel eine Erkrankung ist, die sehr selten ist, dann dauert das auch länger unter Umständen, bis Patienten in so eine Studie eingeschlossen sind versus Krebserkrankungen, die viel häufiger auftreten.
Moderation: Doch wenn klinische Studien so unterschiedlich aufgesetzt sein können, wie sehr kann man dann auf die Ergebnisse vertrauen? Dazu sagt Daniel Kalanovic:
D. Kalanovic: Ja, wie verlässlich sind Ergebnisse von klinischen Studien? Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich einerseits, was messen Sie denn in der klinischen Studie? Welche Endpunkte nehmen Sie? Und das sind internationale Standards, und da gab es in den letzten Jahren eben auch viele Fortschritte, dass man sich da geeinigt hat, was sind die besten Kriterien für bestimmte Erkrankungen. Und dann ist es natürlich für die Verlässlichkeit wichtig wie viele Patienten – das hat statistische Gründe – haben Sie untersucht. Je mehr Patienten Sie untersucht haben, desto verlässlicher ist in der Regel das Ergebnis. Was auch sehr wichtig ist heutzutage, dass von vornherein feststeht, dass alle klinischen Studien auch publiziert werden. Und dort findet dann praktisch auch der Qualitätscheck sozusagen durch die wissenschaftliche Gemeinschaft statt. Wo geschaut wird, sind die Ergebnisse relevant, sind sie nachvollziehbar, wie ordnen wir diese Ergebnisse im Vergleich zu bekannten ein? Das trägt auch noch mal sehr zur Verlässlichkeit bei. Und auch dann die anschließende Publikation in einem angesehenen Journal mit sogenanntem Peer Review – da kann man sich dann schon einigermaßen sicher sein, dass das verlässliche Ergebnisse sind.
Moderation: Was hinter diesem Peer-Review-Verfahren steht, beschreibt der Mediziner so:
D. Kalanovic: Experten ihres Fachgebiets, die nichts mit der Studie zu tun haben, begutachten das unabhängig voneinander, schauen sich die Ergebnisse an und kommen dann abgestimmt zu einem Ergebnis, zu Kritikpunkten, zu Rückfragen. Und dieses ganze Verfahren nennt man Peer Review, was eine wichtige Funktion hat. Es dauert ein paar Wochen, aber es ist wichtig, damit auch die Öffentlichkeit weiß, wenn sie diese Ergebnisse sieht, die sind jetzt nicht nur vom Autor die Schlussfolgerungen, sondern die sind auch von einer Gruppe von unabhängigen Experten mit durchgesehen worden und für schlüssig befunden.
Moderation: Er betont, dass klinische Studien unabhängig davon, wer sie initiiert, durchführt oder finanziert nach denselben internationalen Standards durchgeführt werden.
D. Kalanovic: Da gibt es die sogenannten ICH [engl.]-Guidelines, eine ganz wichtige Errungenschaft, in den 70er-Jahren schon gestartet dieser Prozess, wo wir international immer mehr zu einer Harmonisierung gekommen sind, wie klinische Studien nach einer sogenannten Good Clinical Practice durchgeführt werden. Die besagt zum Beispiel auch, wenn Sie eine klinische Studie machen, dass eine unabhängige Ethikkommission das Protokoll beurteilen muss, dass Sie Endpunkte verwenden. Also das heißt, was Sie messen, muss internationaler Standard sein, wie Sie Daten erfassen. Das alles, das ist relativ standardisiert und unabhängig davon, wer die Studie durchführt.
Moderation: Zu dem standardisierten Vorgehen zählt übrigens auch, dass die Ergebnisse klinischer Studien publik gemacht werden – und zwar auch dann, wenn sich eine Substanz als unwirksam erwiesen hat.
D. Kalanovic: Heute werden alle Studien, die angemeldet werden – da gibt es ja öffentliche Register, wo man eine Studie anmelden muss –, gleichzeitig angemeldet sozusagen auch für eine Publikation später. Das ist unerlässlich. Das heißt, man kann sicher sein, dass eine Studie, an der man teilnimmt, dass die später auch veröffentlicht wird, unabhängig davon, welches Ergebnis herauskommt. Dass Studien erfolgreich sind, das wünscht man sich, aber das ist eben auch Teil unseres Berufs, dass wir auch damit leben müssen, dass Studien oft nicht das erwünschte Ergebnis bringen. Und diese Substanzen können dann nicht weiterverfolgt werden.
Moderation: Klinische Studien führt man durch, um die Wirksamkeit und die Verträglichkeit einer Substanz zu ermitteln. Entsprechend kann man nicht wissen, was die Ergebnisse sein werden.
D. Kalanovic: Es ist Teil unseres Berufsbildes, wenn Sie so wollen, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse experimentell und mit einer gewissen Ungewissheit, aber nach hohen Standards letztlich ausprobieren müssen, um den Fortschritt voranzubringen. Wir müssen verschiedene Dinge ausprobieren, um zu erkennen, was hilft den Patienten wirklich. Und manchmal sind wir erfolgreich, manchmal nicht, manchmal sind wir später erfolgreich. Aber das gehört einfach dazu.
Moderation: Auch wenn man die Ergebnisse einer klinischen Studie also nicht kennen kann, bevor sie durchgeführt wurde, gibt es doch Studien, bei denen man noch vorsichtiger ist als ohnehin. Gereon Zöllner erklärt die Besonderheiten klinischer Studien mit Kindern. Er stellt heraus, dass Hersteller von Arzneimitteln diese sogar durchführen müssen.
G. Zöllner: Ja, Arzneimittelstudien mit Kindern, die gibt es nicht nur, die sind seit 2007, seit Inkrafttreten der sogenannten Kinderarzneimittelverordnung in der EU, in der Europäischen Union, für neue Medikamente sogar verpflichtend. Und das ist auch wirklich gut so, denn Kinder sind einfach keine kleinen Erwachsenen, bei denen man einfach hergehen könnte und die Dosis vermindern. Je jünger ein Kind ist, umso mehr unterscheidet sich sein Stoffwechsel und seine Reaktion auf das Arzneimittel. Und bestimmte Erkrankungen, die kommen auch fast nur im Kindesalter vor. Oder die haben mindestens vielleicht einen anderen Verlauf als im Erwachsenenalter. Und deshalb sind Kinderstudien wirklich ganz, ganz elementar, ganz, ganz besonders wichtig. Außerdem geht es auch darum, dass man Arzneimittel dann auch kindgerecht zubereitet. Und jeder, der Kinder hat, der weiß, wie schwierig das ist für Kinder oft, eine Tablette zu schlucken. Ich kann mich da selbst noch an einige schwierige Situationen erinnern. Deshalb werden dann auch besondere Darreichungsformen, also zum Beispiel Säfte – mit Himbeergeschmack vielleicht – für Kinder entwickelt. Bevor man dann aber mit Studien bei Kindern beginnt, da müssen in aller Regel mindestens mal Phase-I-Daten von Erwachsenen vorliegen. Und oft oder vielleicht sogar meist sind diese Medikamente auch schon für Erwachsene zugelassen.
Moderation: Man sucht also höchstmögliche Sicherheit, bevor man Studien mit Kindern durchführt. Und es wird versucht, die Belastung für sie so gering wie möglich zu halten.
G. Zöllner: Eine weitere Besonderheit bei Studien mit Kindern ist das gesetzlich verankerte sogenannte Prinzip der minimalen Belastung und des minimalen Risikos. Das heißt, bei einer Studie mit Kindern oder Jugendlichen muss wirklich auf jede vermeidbare Belastung und jedes vermeidbare Risiko verzichtet werden. Bei Erwachsenen ist es oft so, dass man vielleicht zusätzliche Blutabnahmen macht, um eine besondere medizinisch-wissenschaftliche Fragestellung beantworten zu können. Sowas geht bei Kindern nicht. Also da darf ich wirklich nur dann Blut abnehmen, wenn das auch absolut notwendig ist für das Studienergebnis. Und ganz wichtig schließlich ist auch noch, dass nicht nur die Sorgeberechtigten, also in der Regel beide Eltern über die Studie aufgeklärt werden, sondern auch das Kind, das muss auch eine altersgerechte Aufklärung erhalten. Und nur dann, wenn das einsichtsfähige Kind auch dieser Teilnahme zugestimmt hat, nur dann darf es auch an der Studie teilnehmen. Es reicht also nicht, wenn da beide Eltern zustimmen. Wenn irgendwie erkenntlich ist, dass das Kind nicht teilnehmen möchte, dann darf es auch nicht in die Studie eingeschlossen werden.
Moderation: Eine Teilnahme an einer klinischen Studie kann einige Vorteile bringen. Unter anderem wird man besonders engmaschig überwacht, erklärt Carolin Guenzel.
C. Guenzel: Also das ist definitiv ein Vorteil, man wird sehr engmaschig überwacht. Das ist allein schon wichtig, um die Verträglichkeit zu untersuchen und falls es dann doch irgendeine Nebenwirkung gibt, der man sozusagen schnell gegenkommen kann. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch ganz klar sagen, es ist eine Verpflichtung für Probanden und Probandinnen in einer Studie teilzunehmen. Man ist definitiv häufiger im Krankenhaus oder beim Arzt, um Fragen zu beantworten, um sich Blut abnehmen zu lassen, um Analysen zu machen.
Moderation: Geht es um schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs, wird der Vorschlag, an einer klinischen Studie teilzunehmen, manchmal als eine Art letzte Chance verstanden. Carolin Guenzel ist es wichtig, mit diesem Stigma aufzuräumen.
C. Guenzel: Generell ist es so, dass eine klinische Studie nicht immer die letzte Möglichkeit darstellt. Man möchte ja die Therapiesituation so früh wie möglich in der Patientenerkrankung positiv beeinflussen. Denn je länger man auf einem Präparat ganz am Anfang ist, desto besser. Und das kann die Rolle der späteren Therapeutika auch beeinflussen. Das heißt, es ist nicht die Endstation für Patienten. Es kann großen Sinn machen, an einer klinischen Studie ganz zu Beginn einer Krankheit teilzunehmen, um von dem potenziellen Effekt dieses Medikamentes zu profitieren.
Moderation: Der Arzt Gereon Zöllner weiß um die vielfältigen Motive, die Menschen zur Teilnahme an klinischen Studien bewegen. Einen Beweggrund stellt er besonders heraus:
G. Zöllner: Sehr oft spielen aber auch wirklich ganz uneigennützige Motive eine Rolle. Also viele Patienten wollen mit ihrer Studienteilnahme einfach einen Beitrag zur Entwicklung neuer Medikamente leisten. Die wollen also, ähnlich wie das bei Blutspendern vielleicht der Fall ist, ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Moderation: Und wichtig zu betonen ist ihm auch dies:
G. Zöllner: Vor allem sollte jedem klar sein, dass es ohne klinische Prüfung und ohne Menschen, die bereit sind, an diesen teilzunehmen, einfach keine neuen Arzneimittel geben kann. Das kann man nicht im Computer entwickeln, trotz aller Digitalisierung. Das geht tatsächlich nur in klinischen Prüfungen und das heißt also, neben einem möglichen persönlichen Nutzen, den es geben kann – garantiert ist der ja nicht – ist die Teilnahme an einer klinischen Prüfung also immer auch ein ganz, ganz wichtiger gesellschaftlicher Beitrag.
Moderation: Neue Medikamente und Impfstoffe kann es also nur geben, wenn Menschen bereit sind, an klinischen Studien teilzunehmen. Denn erst wenn die Wirksamkeit und die Sicherheit einer Substanz in der klinischen Prüfung erwiesen sind, kann eine Zulassung erfolgen. Auf welcher Basis Zulassungsbehörden entscheiden, können Sie in der nächsten Folge unseres Podcasts erfahren. Unter anderem wird es um Vor- und Nachteile einer Zulassung auf EU-Ebene gehen. Auch wie neue Therapien oder Impfstoffe besonders schnell zu den Menschen gebracht werden können, wird erläutert. Und was es dabei zu beachten gibt. Erfahren Sie mehr über Pfizer und diesen Podcast auf unserer Website www.pfizer.de. Wenn Ihnen „Charles² – Pharma Insights“ gefällt, empfehlen Sie uns gerne weiter. Natürlich freuen wir uns auch, wenn Sie uns Abonnieren und über Bewertungen in der Apple-Podcast-App. Wenn Sie mögen, bis zum nächsten Mal.